RA Martin Haucke, RAe Dr. Hantke & Partner
Der BGH war fleißig... und kommt mit zwei frischen Entscheidungen zur Änderung der Kostentragung für Erhaltungsmaßnahmen um die Ecke.
In der ersten Entscheidung ging es um die Frage, ob eine Gemeinschaft die Kosten von Erhaltungsmaßnahmen für Doppelparker entgegen der Regelung in der Gemeinschaftsordnung von allen Wohnungseigentümern auf lediglich jene Eigentümer umlegen kann, die Nutzer der Doppelparker sind. Der BGH spricht sich dafür aus, dass dies grundsätzlich möglich sein soll, wenn die beschlossene Kostenverteilung den Gebrauch oder die Möglichkeit des Gebrauchs berücksichtigt.
In der zweiten Entscheidung ging es um eine ähnlich gelagerte Frage. Dort hatte eine Gemeinschaft dem Kläger die Kosten seines Fensteraustauschs - ebenfalls abweichend von den Regelungen in der Gemeinschaftsordnung - auferlegt. In dem gerichtlichen Verfahren ging es unter anderem um die Frage, ob die Gemeinschaft bei einem solchen Beschluss zugleich eine Regelung treffen muss, dass in zukünftigen Fällen - zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen - ähnlich verfahren werden muss. Der BGH hat entschieden, dass bei einer erstmalig abweichenden Regelung zur Änderung der Kostentragung für Erhaltungsmaßnahmen keine Regelung für zukünftige Erhaltungsmaßnahmen getroffen werden muss.
Die Urteile liegen in der Druckfassung aktuell noch nicht vor, aber der Bundesgerichtshof hat zu den Entscheidungen eine Pressemitteilung herausgegeben, aus der wie wie folgt zitieren:
Verfahren V ZR 81/23
Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:
Der Kläger ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Teileigentümer von vier sog. Doppelparkern. Aufgrund eines Defekts der (im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden) Hebeanlage kann in den Doppelparkern nur jeweils ein Fahrzeug abgestellt werden. Im Juni 2021 beschlossen die Wohnungseigentümer eine Änderung der Kostenverteilung, nach der die Kosten für eine Sanierung und Reparatur der (im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Teile der) Doppelparker nicht mehr wie bisher von allen Wohnungseigentümern, sondern ausschließlich von den Teileigentümern der insgesamt zwanzig Doppelparker gemeinschaftlich zu tragen sind.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit der Anfechtungsklage, die in den Vorinstanzen erfolglos geblieben ist. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, will der Kläger weiterhin erreichen, dass der angefochtene Beschluss für ungültig erklärt wird.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Revision zurückgewiesen. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:
Der Beschluss über die Verteilung der für die Doppelparker anfallenden Kosten ist weder nichtig noch anfechtbar. Die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG begründet die Kompetenz der Wohnungseigentümer, für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine von dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung zu beschließen. Das gilt - entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht - auch dann, wenn dadurch der Kreis der Kostenschuldner verändert wird, indem Wohnungseigentümer von der Kostentragung gänzlich befreit oder umgekehrt erstmals mit Kosten belastet werden. Dieses im Vergleich zur vorherigen Rechtslage weite Verständnis ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut und steht mit dem gesetzgeberischen Ziel der Regelung in Einklang.
Der Beschluss entspricht auch ordnungsmäßiger Verwaltung. Den Wohnungseigentümern ist bei Änderungen des Umlageschlüssels aufgrund des Selbstorganisationsrechts der Gemeinschaft ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Beschließen die Wohnungseigentümer für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine Änderung der bisherigen Verteilung, dürfen sie - wie schon nach der alten Rechtslage - jeden Maßstab wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen ist und insbesondere nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung Einzelner führt. Werden Kosten von Erhaltungsmaßnahmen, die nach dem zuvor geltenden Verteilungsschlüssel von allen Wohnungseigentümern zu tragen sind, durch Beschluss einzelnen Wohnungseigentümern auferlegt, entspricht dies - wie schon nach § 16 Abs. 4 WEG aF - jedenfalls dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die beschlossene Kostenverteilung den Gebrauch oder die Möglichkeit des Gebrauchs berücksichtigt. Daran gemessen ist der Beschluss nicht zu beanstanden. Durch die getroffene Regelung werden nur die Teileigentümer der Doppelparker mit Kosten belastet, die - im Gegensatz zu den übrigen Wohnungseigentümern - auch einen Nutzen aus der Erhaltung des Gemeinschaftseigentums an den Doppelparkern ziehen und denen die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums wirtschaftlich zugutekommt. Auch das Rückwirkungsverbot gebietet hier keine andere Beurteilung. Denn bei typisierender Betrachtung konnten die Teileigentümer nicht darauf vertrauen, dass die gesetzlichen Öffnungsklauseln dauerhaft unverändert bleiben und die Mehrheitsmacht nicht erweitert wird. Vielmehr muss mit Änderungen gesetzlicher Rahmenbedingungen grundsätzlich gerechnet werden.
Verfahren V ZR 87/23
Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:
Der Kläger ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Eigentümer einer Wohnung im Dachgeschoss. In einer Eigentümerversammlung im August 2021 fassten die Wohnungseigentümer den Beschluss, die (im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden) defekten Dachflächenfenster im Bereich des Sondereigentums des Klägers auszutauschen und dazu eine Fachfirma zu beauftragen. Weiter beschlossen sie, dass der Kläger - abweichend von der bisherigen Regelung - die Kosten des Fensteraustauschs allein tragen solle.
Mit seiner Anfechtungsklage, die in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben ist, wendet sich der Kläger gegen die beschlossene Kostenverteilung. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision will er weiterhin erreichen, dass der angefochtene Beschluss für ungültig erklärt wird.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Revision zurückgewiesen. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:
Der Beschluss, für den gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG die Beschlusskompetenz bestand, entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung. Er berücksichtigt im Hinblick auf die allein im Bereich des Sondereigentums des Klägers befindlichen Dachflächenfenster die Gebrauchsmöglichkeit des Klägers. Entgegen der Ansicht der Revision entspricht der Beschluss auch insoweit ordnungsmäßiger Verwaltung, als die Wohnungseigentümer allein über die Kostentragung für den Austausch der Dachflächenfenster im Bereich des Sondereigentums des Klägers entschieden haben, ohne zugleich eine Regelung für die Behandlung künftiger gleich gelagerter Fälle zu treffen. Ob die sogenannte "Maßstabskontinuität" nach der Neufassung des Wohnungseigentumsrechts schon bei dem ersten Beschluss über die Kosten einer einzelnen Erhaltungsmaßnahme berücksichtigt werden muss, war umstritten. Der Bundesgerichtshof hat dies verneint und nun entschieden, dass dann, wenn die Wohnungseigentümer nach § 16 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 WEG eine Änderung der Kostenverteilung für eine einzelne Erhaltungsmaßnahme beschließen, nicht zugleich eine entsprechende Regelung für alle künftigen gleich gelagerten Fälle beschlossen werden muss. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm. Eine andere Betrachtung ist auch nicht im Hinblick auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz der Wohnungseigentümer geboten. Ob und in welcher Art und Weise in Folgebeschlüssen die zuvor für eine einzelne Instandsetzungsmaßnahme beschlossene Änderung der Kostenverteilung zu berücksichtigen ist, kann nämlich nicht hypothetisch für künftige Fälle beurteilt werden, sondern nur für eine konkrete Maßnahme oder einen bereits gefassten, konkreten Beschluss.
Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sind nachvollziehbar. Zum Einen kann eine Gemeinschaft gem. § 16 Abs. 2 WEG Erhaltungskosten auf jene Eigentümer verteilen, die die zu erhaltende Sache gebrauchen. Zum anderen ist es grundsätzlich nicht notwendig bereits bei einer ersten Änderung der Kostentragung auch eine zukünftige abweichende Verteilung von Kosten zu regeln. Eine solche wird aber bei zukünftigen Beschlüssen zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen, die widerum zur Anfechtung eines Beschlusses führen können, wohl notwendig sein, auch wenn der BGH diese Frage offen gelassen hat.