RA Martin Haucke, RAe Dr. Hantke & Partner
Aufgrund des zum 01.12.2020 in Kraft getretenen Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes gibt es seither - wie das immer bei Gesetzesänderungen der Fall ist - viele unbeantwortete Fragen und damit Rechtsunsicherheit. Eine der größeren Fragen stellt sich seit der Gesetzesänderung bei der Geltendmachung von Mängelrechten aufgrund eines Bauträgervertrags durch die Wohnungseigentümergemeinschaft oder - wie es jetzt im Gesetz steht - durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
Um was geht es?
Häufig werden nach nach Fertigstellung von Bauvorhaben Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum festgestellt. Nehmen wir einmal an, dass 2 Jahre nach Fertigstellung eines Mehrfamilienhauses durch einen Bauträger deutlich wahrnehmbare Geräusche an einer Aufzugsanlage entstehen. Die rechtliche Situation ist zunächst Folgende: Jeder einzelne Erwerber kann von dem Bauträger eine Mängelbesitigung verlangen und nach Ablauf einer angemessenen Frist auch weitergehende Mängelrechte (z.B. Kostenvorschuss zu Händen der Gemeinschaft) geltend machen. Denkbar wäre aber auch, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Mängelrechte aus den Erwerberverträgen ansichzieht und die Mängelrechte vom Verband geltend gemacht werden.
Wo liegt das Problem?
Problematisch ist seit der WEG-Reform, dass die Regelung in § 10 Abs. 6 WEG a.F. weggefallen ist. Dort war geregelt, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft Mängelrechte aus den Erwerberverträgen ansichziehen und gemeinschaftlich geltend machen kann. In der Gesetzesbegründung heißt es relativ lapidar, dass der Wegfall der Regelung in § 10 Abs. 6 WEG a.F. keine Auswirkungen haben solle - also die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Mängelrechte weiterhin ansichziehen und gemeinschaftlich geltend machen könnte. Und hier streiten sich nun diverse Stimmen in der juristischen Literatur, ob dass nun tatsächlich noch möglich ist oder nicht. Denn es fehlt nun ja eine gesetzliche Grundlage, die 2007 auf Basis der bis dato entwickelten Rechtsprechung eine Kodifizierung im Gesetz gefunden hatte. Da die Änderungen im Wohnungseigentumsrecht derzeit noch relativ "frisch" sind, gibt es hierzu auch noch keine abschließende Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
Entscheidung des OLG München
Es gibt allerdings eine relativ aktuelle Entscheidung des OLG München vom 22.03.2022 (Urteil vom 22.03.2022, 28 U 3194/21 Bau), in welcher u.a. diese Frage thematisiert wird. Das OLG München entscheidet, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auch nach der Gesetzesänderung weiterhin Mängelrechte ansichziehen und geltend machen kann. Hierfür stützt sich das Gericht auf die Gesetzesbegründung, in welcher bestimmt ist (siehe oben), dass der Wegfall der Regelung in § 10 Abs. 6 WEG a.F. keine Auswirkungen haben soll. Das OLG München leitet das Recht aber auch aus einer anderen gesetzlichen Regelung im Wohnungseigentumsgesetz her - nämlich aus § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG. Dort ist bestimmt, dass die Wohnungseigentümer über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums beschließen können, wozu auch die erstmalig ordnungsgemäße Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums (und damit auch die Mängelbeseitigung) gehört.
Anmerkung
Die Entscheidung des OLG München ist aus meiner Sicht richtig. Sie spiegelt das wider, was der Gesetzgeber realisieren wollte und was bis zur Einführung der im Jahr 2007 entstandenen Regelung in § 10 Abs. 6 WEG a.F. von der Rechtsprechung bereits entwickelt wurde. Die Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig. Es wäre wünschenwert, wenn sich der Bundesgerichtshof mit dieser Frage auseinandersetzen würde, um Klarheit für betroffene Wohnungseigentümer und auch Verwalter zu schaffen. Insofern bleibt abzuwarten, ob Revision gegen die Entscheidung eingelegt wird.