Erbrecht: Formelle Vaterschaft des Erblassers als Voraussetzung der gesetzlichen Erbfolge

RAin Krystyna Schurwanz, RAe Dr. Hantke & Partner

Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 17.12.2018, Az. 5 W 91/18 (Die Entscheidung ist in der Datenbank des Saarlänischen Oberlandesgerichts unter Angabe des Aktenzeichens als PDF hier zu finden.)

Nach § 1924 Abs. 1 BGB sind gesetzliche Erben der ersten Ordnung die Abkömmlinge des Erblassers. Das Oberlandesgericht Saarbrücken hatte nun im Erbscheinsverfahren zu prüfen, welche Voraussetzungen für die gesetzliche Erbfolge vorliegen müssen. In dem der Entscheidung des saarländisches Oberlandesgerichts zugrunde liegenden Fall wurde die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins entsprechend der gesetzlichen Erbfolge nach dem verstorbenen Ehemann der Antragsgegnerin zu 1) beantragt. Die Antragsgegnerin zu 1) hatte an Eides statt versichert, dass der Antragsgegner zu 2) der Sohn ihres verstorbenen Ehemannes ist. Dies sei auch dadurch dokumentiert, dass der Antragsgegner zu 2) den Nachnamen des Erblassers als Geburtsnamen erhielt und in der gemeinsamen Familie aufgewachsen sei. Die Eheleute heirateten am 08.07.1962, der Antragsgegner zu 2) war zuvor, am 12.10.1961 als Sohn der Antragsgegnerin zu 1) geboren worden. Mit Erklärung vom 28.11.1969 erteilte der Erblasser als Ehemann der Mutter dem Antragsgegner zu 2) seinen Familiennamen.

Es wurde sodann der beantragte Erbschein erteilt, wonach der Erblasser von seiner Ehefrau, der Antragsgegnerin zu 1) zu ½ - Anteil sowie von der Antragstellerin und dem Antragsgegner zu 2), dessen Kinder, zu je ¼ - Anteil beerbt worden sei.

Die Antragstellerin hatte die Einziehung des vorgenannten Erbscheins beantragt, weil der Antragsgegner zu 2) weder das leibliche noch das adoptierte Kind des Erblassers sei. Das Amtsgericht hatte sodann den Erbschein eingezogen, weil dieser nach § 2361 BGB unrichtig geworden sei. Der Antragsgegner legte hiergegen Beschwerde ein.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat die Beschwerde jedoch als unbegründet zurückgewiesen. Eine Unrichtigkeit im Sinne des § 2361 Abs. 1 Satz 1 BGB liegtevor, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung des Erbscheins nicht mehr gegeben sind (BGH, Beschluss vom 5. Juli 1963 - V ZB 7/63, BGHZ 40, 54). Die Einziehung eines Erbscheins bilde das Gegenstück zu seiner Erteilung. Infolgedessen müsse, wie sich aus § 2359 BGB ergibt, die Einziehung angeordnet werden, wenn die zur Begründung des Erbscheinsantrages erforderlichen Tatsachen nicht mehr als festgestellt zu erachten sind.

Der Antragsgegner zu 2) sei nicht als Abkömmling im Sinne des § 1924 Abs. 1 BGB anzusehen. Gemäß § 1924 Abs. 1 BGB sind gesetzliche Erben erster Ordnung die Abkömmlinge des Erblassers, d.h. insbesondere seine (ehelichen und nichtehelichen) Kinder (Staudinger/Werner (2017) BGB § 1924 Rn. 2). Entscheidend sei danach die Abstammung im Rechtssinne (vgl. § 1589 BGB), die von der Abstammung im biologischen Sinne abweichen kann (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1988 - IVa ZR 231/87, FamRZ 1989, 378; OLG Frankfurt, NJW-RR 2017, 519; Leipold, in: MünchKommBGB 7. Aufl., § 1924 Rn. 3). Die Frage, ob ein Beteiligter Abkömmling des Erblassers und damit (Mit-)Erbe erster Ordnung ist, entscheide sich nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Erbfalles (KG, FGPrax 2017, 218; OLG Frankfurt, FamRZ 1995, 1087; Weidlich, in: Palandt, a.a.O., § 1924 Rn. 7; M. Schmidt in: jurisPK-BGB 8. Aufl., § 1924 BGB, Rn. 7).
Gemäß § 1592 BGB in der hier maßgeblichen, zum Zeitpunkt des Erbfalles am 8. Juli 2004 geltenden Fassung ist Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 640h Abs. 2 der Zivilprozessordnung gerichtlich festgestellt ist. Unter diesen Voraussetzungen ist ein Kind als Abkömmling seines Vaters im Sinne des § 1924 Abs. 1 BGB anzusehen (vgl. Müller-Christmann, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK-BGB, Stand: 1. Mai 2018, § 1924 Rn. 4; Große-Boymann, in Burandt/Rojahn, Erbrecht 3. Aufl., § 1924 Rn. 5).

Der Antragsgegner zu 2) wurde nichtehelich geboren. Die spätere Heirat änderte hieran nichts. Die gesetzliche Vermutung der Vaterschaft des Ehemanns greift deshalb nicht ein. Zwar bestand nach der früheren Rechtslage (vgl. § 1719 BGB a. F.) die Möglichkeit einer Legitimation des nichtehelichen Kindes dadurch, dass sich der Vater mit der Mutter verheiratete. Dies galt indes nur bei einer Heirat der wirklichen Eltern des Kindes; mithin nur, soweit die Vaterschaft entweder anerkannt oder festgestellt worden war (Diederichsen, in: Palandt, BGB 55. Aufl., § 1719 Rn. 3). Schließlich war nicht ersichtlich, dass die Vaterschaft des Erblassers bislang gerichtlich festgestellt worden wäre. Eine inzidente Prüfung der Vaterschaft komme im Erbscheinsverfahren grundsätzlich nicht in Betracht.

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