Erbrecht: Anwesenheitsrecht des Pflichtteilsberechtigen bei der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses

RA Dr. Till Hantke M.E.S., RAe Dr. Hantke & Partner

Das Gesetz gibt mit § 2314 Abs. 1 BGB dem pflichtteilsberechtigten Nichterben die Möglichkeit, die Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu verlangen. Da die Kosten gem. § 2314 Abs. 2 BGB dem Nachlass zur Last fallen – und damit die Höhe des Pflichtteils mindern - wird der Pflichtteilsberechtigte Kosten und Nutzen eines solchen Verlangens gegen einander abzuwägen haben. Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, welche Einflussmöglichkeiten der Pflichtteilsberechtigte im Rahmen eines Termins zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses hat.

Wohl auch im Zusammenhang mit der immer extensiveren Rechtsprechung zu den notariellen Ermittlungspflichten vor der Aufnahme des Verzeichnisses werden diesbezügliche Einflussmöglichkeiten des Pflichtteilsberechtigten oft überschätzt. Richtig ist, dass grundsätzlich ein Anwesenheitsrecht des Pflichtteilsberechtigten besteht, wie vom Gesetz in § 2314 Abs. 1 BGB vorgesehen. Der Pflichtteilsberechtigte hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass das Verzeichnis an einem bestimmten Ort oder zu einem vom Pflichtteilsberechtigten bestimmten Datum aufgenommen wird. Erst recht gibt das Gesetz dem Pflichtteilsberechtigten keinen Anspruch darauf, den Erben zu Einzelfragen des Nachlasses zu „verhören“ oder durch den Notar verhören zu lassen. Es handelt sich bei der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses um eine Amtshandlung des Notars und dieser ist somit der primäre Ansprechpartner des Pflichtteilsberechtigen, auch bei einem solchen Termin. Der Zweck des vom Gesetz vorgesehenen Anwesenheitsrechts des Pflichtteilsberechtigten besteht nicht darin, eigene Ermittlungen vorzunehmen, sondern darin sich einen Eindruck von der Arbeit des Notars zu machen.

Ein besonnener Pflichtteilsberechtigter wird sich daher überlegen, ob es für ihn überhaupt sinnvoll ist, persönlich an einem – dann wegen persönlicher Spannungen oft auch unangenehmen und zeitraubenden – Termin teilzunehmen oder ob er nicht besser versuchen sollte, seine Fragen zum Inhalt des Nachlasses schriftlich – und damit auch aktenkundig – im Vorfeld des Termins zur Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses anzubringen.

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