Erbrecht: Wechselbezügliche Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments

RAin Krystyna Schurwanz, RAe Dr. Hantke & Partner

Urteil des OLG Hamm vom 12.09.2017 Az. 10 U 75/16

Im deutschen Erbrecht gibt es die Besonderheit, dass Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament errichten können. Es werden dort Verfügungen von Todes wegen für zwei Sterbefälle getroffen. Dabei besteht die Möglichkeit in einem solchen gemeinschaftlichen Testament wechselbezügliche Verfügungen zu treffen. Gemäß § 2270 Abs. 1 BGB sind Verfügungen eines gemeinschaftlich errichteten Testaments wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre.

Nach ständiger Rechtsprechung kommt es deshalb darauf an, ob die Verfügung des einen Ehegatten gerade deshalb getroffen wurde, weil der andere seine Verfügung getroffen hat und deshalb nach dem gemeinsamen Willen der Eheleute die eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen sollen (Nachweise bei Palandt/Weidlich, 76. Auflage, § 2270 BGB Rn. 1). Eine Wechselbezüglichkeit (§§ 2270, 2271 BGB) kann eine gegenseitige Bindungswirkung nach sich ziehen. Die nach § 2271 Abs. 2 BGB nach dem ersten Todesfall dann eintretende Bindungswirkung erlaubt es den Ehegatten sich gegenseitig abzusichern und den Vermögensfluss in Richtung der eigenen Abkömmlinge nach dem Tod des Zuletztversterbenden bindend zu steuern. Zu beachten ist, dass nicht unbedingt immer eine Wechselbezüglichkeit vorliegen muss. Die Ehegatten können auch bestimmen, dass keine Wechselbezüglichkeit oder nur teilweise eine Wechselbezüglichkeit gegeben sein soll.

Nach einer Entscheidung des OLG Hamm (Urteil vom 12.09.2017, Aktenzeichen 10 U 75/16) müssen Verfügungen, die im Wechselbezug stehen, nicht zwingend zeitgleich in einer einheitlichen Urkunde getroffen werden. Sie können vielmehr auch nacheinander in getrennten Urkunden niedergelegt werden. Allerdings müsse in diesem Fall ein entsprechender Verknüpfungswille feststellbar sein, der sich aus den Urkunden zumindest andeutungsweise ergeben muss. In dem dortigen Fall hatten die Eheleute ein gemeinschaftliches Testament errichtet und nach ca. 40 Jahren ein neues gemeinschaftliches Testament erstellt, welches das vorherige Testament teilweise abändern sollte und nicht insgesamt aufgehoben hat. Das OLG hat ausgeführt, dass auch ein langer Zeitraum von fast 40 Jahre nach den Gesamtumständen nicht entscheidend gegen die Annahme eines Verknüpfungswillens der Eheleute spreche. Anhaltspunkte für eine nachträgliche Verknüpfung könnten sich etwa auch aus einer inhaltlichen Bezugnahme und einer gemeinsamen Verwahrung der Testamente ergeben (vgl. OLG Hamm Urteil vom 12.09.2017, AZ, 10 U 75/16).

In dem dortigen Fall hatte der Kläger, der in den Testamenten als Schlusserben eingesetzt war, lebzeitige Schenkungen vom Beschenkten nach § 2287 BGB analog zurückgefordert.

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