Familienrecht: Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks

RAin Julia Studt, RAe Dr. Hantke & Partner

In seiner Entscheidung vom 22.10.2019 (Az.: X ZR 48/17) hat der BGH herausgestellt, dass bei einem Widerruf der Schenkung nicht nur objektiv festgestellt werden müsse, ob eine Verfehlung des Beschenkten von gewisser Schwere vorliegt. Vielmehr müsse auch gerade die subjektive Seite betrachtet werden und ob aus dieser Sicht ebenfalls ein Fehlen an Dankbarkeit des beschenkten in erheblichem Maß zu bejahen wäre. Hierbei ist auch relevant, ob das vorgeworfene Fehlverhalten aus einer Affekthandlung resultiert oder ob es sich hierbei um ein wiederholtes Vorgehen handeln würde.

Was war passiert?

Die Kläger sind die Eltern des Beklagten und haben diesem im Juli 1994 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge mehrere Grundstücke sowie Grundstücksanteile übertragen. Gleichzeitig wurde den Klägern jedoch auf einem dieser Grundstücke ein lebenslanges Wohnrecht an einer Wohnung gewährt. Der Beklagte wohnte sodann in der Folgezeit ebenfalls auf diesem Grundstück.

Im November 2006 kam es sodann zu Streitigkeiten zwischen den Parteien, welche zunächst lediglich verbal waren, jedoch dann in handgreiflichen Übergriffen des Beklagten gegenüber seinem Vater, dem Kläger zu 2., mündeten. Daraufhin widerriefen die Kläger mit zwei Schreiben, welche eine Woche nach dem Vorfall verfasst wurden, die Schenkung wegen groben Undanks und forderten den Beklagten zur Rückübertragung der Grundstücke aus. Erstinstanzlich ist die Klage auf Rückübertragung vor dem Landgericht erfolglos geblieben. Auf die Berufung hin hat das OLG Frankfurt in Darmstadt den Beklagten verurteilt, die Grundstücke entsprechend an die Kläger zurück zu übertragen. Hiergegen hat der Beklagte Revision eingelegt.

Entscheidung des BGH

Der BGH hat die Entscheidung des OLG aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Das OLG hatte groben Undank bei dem Beklagten angenommen. Durch sein Verhalten im November 2006 habe er sich einer schweren Verfehlung schuldig gemacht. Insofern habe der Beklagte den Kläger – seinen Vater – unvermittelt vor die Brust gestoßen, so dass dieser umgefallen sei. Zudem habe er ihn sodann in den Schwitzkasten genommen. Selbst wenn der Kläger durch sein eigenes provozierendes und uneinsichtiges Verhalten – welches jedoch streitig ist – zu einer Eskalation beigetragen habe, sei durch das Verhalten des Beklagten das Maß des Hinnehmbaren deutlich überschritten worden.
Dieser Argumentation folgt der BGH nicht. Entgegen der Ausführungen des OLG hat der BGH die Voraussetzungen des groben Undanks nicht als gegeben erachtet und die Angelegenheit insgesamt für noch nicht entscheidungsreif.

Der Widerruf einer Schenkung erfordere neben der objektiven Seite, welche eine Verfehlung des Beschenkten von gewisser Schwere voraussetze, eben auch eine subjektive Seite. In subjektiver Hinsicht muss die Verfehlung des Beschenkten ein Ausdruck einer Gesinnung sein, die in erheblichem Maß die Dankbarkeit vermissen lässt, die der Schenker erwarten kann.

Welche Dankbarkeit der Schenker erwarten kann, ist jeweils vom Einzelfall abhängig. Anhaltspunkte hierfür können jedoch der Gegenstand der Schenkung sowie die Bedeutung der Schenkung sowie die persönliche Beziehung zwischen Schenker und Beschenktem sein.
Der BGH führt hierbei aus, dass gerade in Fällen wie im Streitfall eine besondere Auseinandersetzung mit den emotionalen Aspekten erfolgen muss, insbesondere auch, ob das dem Widerruf zugrundliegende Geschehen in einer Affekthandlung erfolgte oder vielmehr ob es sich um ein wiederholt auftretendes Verhalten handelte. Diese Auseinandersetzung sei aber gerade durch das OLG nicht in hinreichender Weise erfolgt.

Das OLG habe zwar zu Recht eine schwere objektive Verfehlung des Beklagten angenommen. Allerdings hat es bei seiner Bewertung nicht berücksichtigt, dass die Parteien gemeinsam auf dem Grundstück wohnen würden und daher von beiden Seiten aus ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme zu erwarten ist – eben auch von den Klägern. Insofern hat das OLG bei seiner Bewertung insbesondere auch nicht berücksichtigt, dass möglicherweise der Kläger zu 2. ebenfalls ein provozierendes Verhalten an den Tag gelegt hat und damit zur Eskalation der Situation beigetragen hat. Da diese Aspekte nicht hinreichend in die Abwägung der Bejahung des groben Undanks einbezogen worden seien, müsse das OLG eine erneute umfangreiche Prüfung und Abwägung diesbezüglich anstellen. Insofern sei eine Entscheidungsreife noch nicht gegeben.

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