Familienrecht: Das paritätische Wechselmodell

RA Dr. Gottfried Hantke, RAe Dr. Hantke & Partner

Das OLG Stuttgart hat in seinem Beschluss vom 23. August 2017 (18 UF 104/17) die gerichtliche Anordnung einer gleichmäßigen Betreuung im Sinne des paritätischen Wechselmodells für rechtmäßig gehalten. Voraussetzung hierfür sei allerdings eine ausreichende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit zwischen den Eltern.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Nach der Trennung der Eltern verbrachten die gemeinsamen Kinder außerhalb der Schulferien alle zwei Wochen jeweils von Freitagmittag bis zum darauffolgenden Mittwochmorgen beim Vater, in der restlichen Zeit lebten die Kinder bei der Mutter. Je nach Aufenthalt gingen die Kinder jeweils von dort aus in die Schule. Die Regelung beruhte nicht auf einer gerichtlichen Umgangsregelung, sondern vielmehr ausschließlich auf einer außergerichtlichen Absprache der Eltern.

Das Gericht regelte nun das Umgangsrecht des Vaters in Form eines paritätischen Wechselmodells dahingehend, dass ein wöchentlicher Wechsel des Aufenthaltsortes jeweils sonntags stattfinden sollte.

Die Beschwerde der Mutter gegen diesen Beschluss wurde vom OLG zurückgewiesen. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass die Anordnung eines Wechselmodells dem Wohl der Kinder am besten entspricht. Die Eltern praktizierten ihren erweiterten Umgang mit dem geteilten Aufenthalt bereits über einen Zeitraum von vier Jahren. Die Kinder fühlten sich bei beiden Elternteilen gleich wohl und hatten zu beiden Elternteilen eine enge und tragfähige emotionale Bindung. Zudem wurden die Kinder durch den regelmäßigen Wechsel nicht aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen, da so z.B. die Schule von der Mutter aus zu Fuß und von dem Vater mit dem Bus gut zu erreichen war. Zudem entsprach es dem Willen der Kinder, jeweils gleich lang ihre Zeit bei Mutter und Vater zu verbringen. Hingegen soll das Fehlen eines festen Lebensmittelpunktes nicht dem Wohl der Kinder schaden, da bereits in der Vergangenheit der Wechsel der Aufenthaltsorte regelmäßig stattgefunden habe und die Kinder dieses positiv erlebt hätten.

Als unerlässliche Voraussetzung für die gerichtliche Anordnung des Wechselmodells hat das OLG nochmals die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Elternteile herausgestellt. Im vorliegenden Fall wurde diese ausdrücklich bejaht, da bereits seit geraumer Zeit die Absprachen hinsichtlich des Aufenthaltes der Kinder zwischen den Elternteilen reibungslos funktionierten.

Mit dieser Entscheidung schließt sich das OLG der Entscheidung des BGH vom 01. Februar 2017 (XII ZB 601/15) an, welcher bereits eine solche Regelung nicht von der Ablehnung eines Elternteils abhängig gemacht hatte, sondern vielmehr das Kindeswohl in den Vordergrund gestellt hatte.

Die vorstehend dargestellte Entscheidung lässt aber doch Fragen offen:

Nach § 1684 Abs. 1 BGB hat ein Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil und jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Gemäß § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB kann auch das Familiengericht über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung näher regeln. Als Maßstab wird das Wohl des Kindes angeführt. Das Wechselmodell ist in hierbei auf dem „Vormarsch“ und ist auch in der Rechtsprechung in der Vergangenheit vermehrt in Erscheinung getreten. Der Vorteil des Wechselmodells dürfte vor allem darin liegen, dass das Kind trotz der Trennung seiner Eltern engen Kontakt mit beiden behalten kann.

Das Wechselmodell sollte jedoch hinsichtlich des Wohls des Kindes durchaus auch kritisch hinterfragt werden. So ist es für das Kind nicht möglich, einen festen Lebensmittelpunkt zu bilden. Vielmehr muss das Kind bereits nach kurzer Zeit jeweils wieder die Umgebung wechseln. Sofern die Elternteile nicht in unmittelbarer Nähe zueinander leben, ist mit dem Wechsel des Aufenthaltsortes zudem zusätzlich ein Wechsel des sozialen Umfeldes verbunden. Ferner bringt das Wechselmodell auch hinsichtlich des Kindesunterhaltes noch zu klärende Fragen mit sich, insbesondere sofern das Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils angeordnet worden ist. Insofern sollen grundsätzlich beide Elternteile für den Barunterhalt des Kindes einstehen. Danach bemisst sich der Barunterhalt nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst außerdem die infolge des Wechselmodells entstehenden Mehrkosten. Insbesondere ist auch das Kindergeld zur Hälfte auf den Barbedarf des Kindes anzurechnen. Hierbei ist der auf die Betreuung entfallende Anteil zwischen den Eltern hälftig aufzuteilen. Außer Acht gelassen wird hierbei, dass durch das Wechselmodell auch selbst höhere Kosten bei der Betreuung entstehen. Wirtschaftliche Disparitäten zwischen den Elternteilen finden hierbei jedoch wenig Berücksichtigung. Eine Lösung diesbezüglich ist auch in der Entscheidung des BGH nicht aufgezeigt worden.

Insoweit bleibt abzuwarten, wie mit dem „Vormarsch“ des Wechselmodells in der Gesetzgebung und Rechtsprechung in Zukunft weiter umgegangen wird. Konkret bezogen auf die Entscheidung des OLG Stuttgart wird man außerdem Fragen müssen, wie die auch vom OLG als besonders wichtig angesprochene fortdauernde Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Elternteile tatsächlich noch als „fortdauernd“ angenommen werden kann, nachdem ein durch zwei Instanzen geführtes gerichtliches Verfahren zunächst notwendig geworden ist und dann dieses Verfahren mit einer streitigen Entscheidung gegen den unterlegenden Elternteil endet.

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