Mietrecht: Neues aus Karlsruhe

Entscheidungen des BGH zu Nebenkostenabrechnungen und Zurückbehaltungsrechten – von RA Wolf-Holger Mitsching, Rechtsanwälte Dr. Hantke & Partner

In jüngster Zeit hat insbesondere der VIII. Senat des BGH, welcher für Wohnraum-Mietrecht zuständig ist, für einige aufsehenerregende Entscheidungen gesorgt, nicht zuletzt zur Wirksamkeit von Schönheitsreparaturklauseln. Die sich abzeichnende Tendenz, langjährig gefestigte Rechtsprechung aufzugeben, setzt sich auch in den beiden nachfolgenden Entscheidungen fort.

1.

Über viele Jahre hat der BGH die Auffassung vertreten, dass eine Nebenkostenabrechnung nur dann gemäß den Vorgaben des § 259 BGB formell ordnungsgemäß ist, wenn zu jeder Kostenart die Gesamtkosten angegeben werden. Nun kann es jedoch vorkommen, dass ein Vermieter von bestimmten Kosten nur einen Teil auf die Mieter umlegt, die Gesamtkosten also um einen bestimmten Anteil bereinigt. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der Hausmeister auch nicht umlagefähige Arbeiten ausführt. Wenn insoweit jedoch lediglich die bereinigten Kosten in der Abrechnung angegeben und diesen Vorwegabzug nicht innerhalb der einjährigen Abrechnungsfrist dem Mieter erläutert wird, war die Abrechnung formell unwirksam. Konsequenz aus einer formell unwirksamen Abrechnung ist, dass ein Nachzahlungsbetrag nicht verlangt werden kann. Der BGH hat diese unsinnige Rechtsprechung nun endlich ad acta gelegt und mit Urteil vom 20.01.2016 (VIII ZR 93/15) entschieden, dass es für die formelle Wirksamkeit der Abrechnung genügt, wenn der Vermieter in der Abrechnung bei der jeweiligen Betriebskostenart den Betrag angibt, den er auf die Wohnungsmieter unter Berücksichtigung der Verteilungsschlüssel umlegt. Ob dieser auf die Mieter umzulegende Gesamtbetrag richtig errechnet wurde, ist lediglich eine Frage der materiellen Wirksamkeit der Abrechnung. Materiell kann eine Abrechnung auch nach Ablauf der Abrechnungsfrist korrigiert werden. Zukünftig wird es jedoch nicht mehr notwendig sein, außerhalb der Abrechnung vorgenommene Rechenschritte (Vorwegabzüge) im Rahmen der Abrechnung zu erläutern. Vielmehr ist es ausreichend, wenn die bereinigten Kosten als Gesamtkosten in die Abrechnung eingestellt werden.

2.

Sofern ein zu einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung führender Mangel der Mietsache besteht, ist die vom Mieter zu zahlende Miete gemäß § 536 BGB gemindert. Die Höhe der berechtigten Mietminderung ist immer vom Einzelfall abhängig. Nicht selten beseitigen Vermieter trotz berechtigter Minderung die Mängel nicht, sei es, weil es mit einem erheblichen Aufwand verbunden wäre oder massive Kosten für die Beseitigung entstehen. Aus diesem Grunde ist ein Mieter berechtigt, sich über die Minderung hinaus auf ein weitergehendes Leistungsverweigerungsrecht (§ 320 BGB) zu berufen, da der Vermieter, welcher die Mängel nicht beseitigt, seiner Gebrauchsüberlassungspflicht nicht in vollem Umfange nachkommt. Diese Einrede dient als Druckmittel des Mieters, um den Vermieter zur Mängelbeseitigung zu bewegen. Allgemein wird vertreten, dass ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe des drei- bis fünffachen Minderungsbetrages zulässig ist, im Regelfall in Höhe des Vierfachen der Minderung. Dies kann jedoch bei Mängeln, welche die Gebrauchstauglichkeit nur in einem gewissen Umfange aufheben und beispielsweise zu einem Minderungsrecht von 25 % führen, zur Folge haben, dass der Mieter dann überhaupt keine Miete leistet. Nach insoweit streitiger Rechtsprechung der Instanzgerichte könnte sich ein Mieter so lange (also für mehrere Jahre) auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen, und zwar bis zur Beseitigung des Mangels und Herstellung der vollen vertragsgemäßen Nutzbarkeit der Mietsache. Dieser Rechtsprechung hat der BGH nun in seinem Urteil vom 17.06.2015 (VIII ZR 19/14) einen Riegel vorgeschoben und zunächst festgestellt, dass sich eine schematische Betrachtungsweise, wonach dem Mieter grundsätzlich ein Zurückbehaltungsrecht in vierfacher Höhe des Minderungsbetrages zusteht, verbietet. Vielmehr muss der Tatrichter in jedem Einzelfall eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen. Der BGH hat jedoch grundsätzlich entschieden, dass das Zurückbehaltungsrecht sowohl einer zeitlichen wie auch betragsmäßigen Begrenzung unterliegt und grundsätzlich schonend auszuüben ist. Insbesondere ist nach Auffassung des BGH der betragsmäßige Einbehalt durch Mietminderung und Zurückbehaltungsrecht in Relation zu dem konkreten Mangel zu setzen. So kann zwar jeder Mangel zu einem Zurückbehaltungsrecht führen, allerdings nicht grundsätzlich in vierfacher Höhe und auf gar keinen Fall zeitlich unbeschränkt. Der BGH begründet diese Begrenzung damit, dass der Mieter auch in dem Fall, dass der Vermieter trotz Einbehalt weiterer Mietentgelte nicht tätig wird, nicht rechtlos gestellt ist, sondern den Vermieter beispielsweise auf Instandsetzung verklagen oder unter bestimmten Voraussetzungen die Mängel selbst beseitigen und Schadenersatz verlangen kann. In dem vom BGH entschiedenen Fall führten die erheblichen Einbehalte des Mieters (über die Minderung hinweg) dazu, dass das Mietverhältnis berichtigt von der Vermieterin gekündigt werden konnte. Aus diesem Grunde sollte bei Mietverhältnissen, in welchen neben Minderungen auch Zurückbehaltungsrechte geltend gemacht werden, konkret überprüft werden, ob diese Zurückbehaltungsrechte nach den Anforderungen des BGH im Hinblick auf die zeitliche und betragsmäßige Begrenzung noch zulässig sind oder ob möglicherweise ein Kündigungsrecht besteht. Ob ein Mieter hier die Grenze der zulässigen Einbehalte überschritten hat, kann und wird jedoch nur ein Tatrichter entscheiden können.

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