RAin Krystyna Schurwanz, RAe Dr. Hantke & Partner
§ 2075 BGB, § 35 GBO § 13, GBO, § 18 GBO, § 29GBO
Enthält ein zur Niederschrift eines Notars errichtetes gemeinschaftliches Testament eine Pflichtteilsstrafklausel, die aber nur dann zum Verlust der Schlusserbenstellung führt, wenn der überlebende Ehegatte neu testiert, setzt ein Verlangen des Grundbuchamts nach Vorlage eines Erbscheins oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses zum Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit konkrete Anhaltspunkte für die Annahme voraus, der überlebende Ehegatte habe tatsächlich neu testiert.
KG Beschluss vom 28.1.2025 – 1 W 37/25
Der Entscheidung des KG Berlin lag folgender Sachverhalt zugrunde:
In einem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute fand sich folgende Regelung: „Sollte einer unserer Söhne oder beide nach dem Tode des Erstversterbenden von uns ihren Pflichtteil verlangen, so sollen sie nach dem Tode des Längstlebenden ebenfalls den Pflichtteil erhalten. Der überlebende Ehegatte kann in diesem Fall neu bezüglich des freiwerdenden Teils testieren. Sollte eine neue Verfügung von Todes wegen durch den überlebenden Ehegatten nicht erfolgen, bleibt es bei der Erbeinsetzung hier in diesem Testament.“ Nach dem Tod der Eltern haben die Kinder die Berichtigung des Grundbuchs beantragt. Mit Zwischenverfügungen vom 4.9.2024 hat das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins oder eine eidesstattliche Versicherung über das Nichtgreifen der Pflichtteilsklausel erfordert. Das AG – Grundbuchamt – Berlin-Mitte (Zwischenverfügung v. 17.10.2024) hat im Weiteren nur noch einen Erbschein erfordert. Hiergegen richtet sich die Beschwerde. Das KG hat entschieden, dass das aufgezeigte Eintragungshindernis nicht besteht, so dass die angefochtene Zwischenverfügung nicht veranlasst war:
„Die Berichtigung einer unrichtigen Grundbucheintragung erfolgt auf Antrag, § 13 Absatz I GBO, wenn die Unrichtigkeit durch öffentliche Urkunden, § 29 GBO, nachgewiesen wird, § 22 Absatz I GBO. Bei Unrichtigkeit des Grundbuchs wegen des Todes eines Berechtigten ist der Nachweis der Erbfolge grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen, § 35 Absatz I 1 GBO.
Beruht die Erbfolge aber auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, genügt es in der Regel, wenn anstelle des Erbscheins die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden § 35 Absatz I 2 Hs. 1 GBO. Das Grundbuchamt hat eine solche Verfügung von Todes wegen dahin zu überprüfen, ob sich aus ihr das von dem Ast. behauptete Erbrecht ergibt. Es hat die Verfügung in eigener Verantwortung auszulegen, auch wenn es sich um die Klärung rechtlich schwieriger Fragen handelt. Die Pflicht zu eigener Auslegung entfällt allerdings dann, wenn für diese erst zu ermittelnde tatsächliche Umstände maßgebend sind (vgl. KG Berlin NJW-RR 2021, Seite 72 = ZEV 2020, Seite 764; DNotZ 2021, Seite 195 (DNOTZ Jahr 2021 196)).
Im Fall einer so genannten Pflichtteilsstrafklausel hat es das KG Berlin für den Nachweis der negativen Tatsache der fehlenden Geltendmachung des Pflichtteils ausnahmsweise für geboten erachtet, eine eidesstattliche Versicherung ausreichen zu lassen, wenn auch das Nachlassgericht eine solche Versicherung ohne weitere Ermittlungen einer Erbscheinserteilung zugrunde legen würde (KG Berlin NJW-RR 2012, Seite 847 = FamRZ 2012, Seite 1517 (1519)).
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Allein aus dieser Klausel eine Lücke im Erbnachweis zu erblicken, die nur durch Vorlage eines Erbscheins – oder Europäischen Nachlasszeugnisses, vgl. § 35 GBO – zu schließen möglich wäre, greift aber zu kurz. Ein solches Verständnis lässt die weiteren in diesem Zusammenhang getroffenen Regelungen der Erblasser außer Betracht, deren Auslegung dazu führt, dass der von dem Grundbuchamt zu Recht erforderte Nachweis der Erbfolge in Form des gemeinschaftlichen Testaments bereits erbracht worden ist.
Bei Geltendmachung des Pflichtteils sollte der überlebende Ehegatte berechtigt sein, neu zu testieren. Sah er davon ab, sollte es bei der Erbeinsetzung aus dem gemeinschaftlichen Testament verbleiben. Damit führte das Verlangen nach dem Pflichtteil allein nicht zum Verlust der Schlusserbenstellung, vgl. § 2075 BGB. Zusätzlich bedurfte es dazu eines neuen Testaments des überlebenden Ehegatten.
Lediglich entfernte abstrakte Möglichkeiten, die das aus einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen hervorgehende Erbrecht nur unter ganz besonderen Umständen in Frage stellen, können jedoch das Verlangen nach Vorlage eines Erbscheins nicht rechtfertigen (Senat NJW-RR 2021, 72 = ZEV 2020, 764). Dass die Erblasserin – gegebenenfalls nach einem zu unterstellenden Pflichtteilsverlangen der Söhne – neu testiert haben könnte, ist eine solche Möglichkeit. Sie allein genügt für die Anforderung eines Erbscheins nicht (vgl. Demharter GBO, 33. Aufl., GBO § 35 Rn. 39b mwN).“
KG Beschl. v. 28.1.2025 – 1 W 37/25
European Case Law Identifier (ECLI):
ECLI:DE:KG:2025:0128.1W37.25.0A
