Betreuungsrecht: Trickbetrug – trifft die Banken eine Fürsorgepflicht?

Annegret HantkeRAin Annegret Hantke, RAe Dr. Hantke & Partner

Eine 83-jährige Dame erhält von einem angeblichen BKA-Beamten einen Anruf, der sie davon überzeugt, dass in der Stammfiliale ihrer Bank ein Angestellter als „Schläfer“ aktiv sei. Um ihr Geld in Sicherheit zu bringen, solle sie dieses von ihrem Konto abheben und der Polizei zur Verwahrung übergeben. Die Dame befolgt die Anweisungen – und verliert am Ende € 57.000,00 an die Trickbetrüger.

Das Schicksal der 83-jährigen ist jedoch kein Einzelfall. Längst schon nutzen die Täter nicht mehr den „Enkeltrick“ – zu viel wurde darüber berichtet und gewarnt. Die Täter geben sich nunmehr als Polizeibeamte aus und spielen den Opfern hierbei vor, ihnen helfen zu wollen. Genau wie bei dem Enkeltrick üben die Täter hierbei starken Druck auf ihre Opfer aus, die sich am Ende oftmals dem Druck beugen, ohne sich hierbei bewusst zu sein, dass sie gerade um ihr angespartes Vermögen gebracht werden.

Mehrere tausend Fälle sind bereits bekannt, doch die Dunkelziffer ist groß. Viele schämen sich, dass sie auf solch einen Trick hereingefallen sind und scheinbar sorglos ihr gesamtes Geld herausgegeben haben. Die Täter suchen sich hierbei gezielt ältere Menschen als Opfer – dabei wird vor allem das Vertrauen in die Polizei und die Einsamkeit der Opfer ausgenutzt. Denn oft sind die Opfer allein in ihrer Wohnung, Familie und Freunde nicht in unmittelbarer Nähe, die sie eventuell vor solch einem Betrug beschützen könnten.

In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob die Banken nicht eine gewisse Fürsorgepflicht trifft, denn ohne ihr Mitwirken kann das Opfer nicht an das Ersparte gelangen. Im Fall der 83-jährigen Dame zahlte die Bank einmal € 10.000 und einmal € 45.000 in bar an sie aus – beide Auszahlungen erfolgten am selben Tag. Eine Nachfrage der Kassiererin, wozu die Dame denn so viel Bargeld benötigen würde, oder ein Hinweis auf einen möglichen Betrug erfolgte nicht. Die Dame wurde lediglich auf Strafzinsen hingewiesen.

Dabei wirkt der Fall wie aus einem Lehrbuch. Anscheinend fand es die Kassiererin jedoch nicht verwunderlich, dass die Dame – im Alter von 83 Jahren, welches ihr bekannt war, da der Personalausweis vorgelegt werden musste – an einem Tag ihr gesamtes Vermögen abhob ohne vorherige Ankündigung eine solch hohe Summe abheben zu wollen, noch dazu nicht in ihrer Stammfiliale. Auch der Gedanke, dass eine ältere Dame mit einer solch großen Bargeldsumme unterwegs ist, schien die Kassiererin nicht zu beunruhigen.

Auf Nachfrage bei der Bank erfolgte lediglich eine kurze Antwort, dass Auszahlungen von den Konten des Kunden von den Kassierern nicht verweigert werden dürfen. Nicht ein Wort des Mitgefühls, der Hinweis, dass die Mitarbeiter in Zukunft besser geschult werden, um solche Fälle zu verhindern oder Ähnliches. Dabei wurde eine Dame um ihr gesamtes Vermögen gebracht und hat nun keine Altersvorsorge mehr. Der Hinweis der Bank, Auszahlungen an den Kunden nicht verweigern zu können, ist richtig, denn dann würden sie gegen ihre vertraglichen Pflichten verstoßen. Der Grund, warum jemand eine Auszahlung von seinem Konto wünscht, ist für das Auszahlungsbegehren unerheblich. Auch dürfen die Banken aufgrund des Bankengeheimnisses nicht einfach ohne die Einwilligung des Kunden Dritten, wie z.B. der Polizei, von solchen Auszahlungen berichten.

Und doch stellt sich die Frage, ob das pauschale Berufen auf die Auszahlungspflicht die Banken wirklich von jedweder Fürsorgepflicht befreit. Die Banken sollen vielfach ihr Personal schon geschult und sensibilisiert haben. Wenn ihnen ein Fall suspekt vorkommen sollte, soll versucht werden, die Hintergründe zu erforschen, um mögliche Betrüger so zu überführen. Hierbei ist sicherlich viel Feingefühl erforderlich.

Wenn ein Kunde natürlich beharrlich die Auszahlung begehrt, dann kann die Bank dieses schlussendlich nicht verweigern. Aber im Fall der 83-jährigen Dame wurde von der Bank nicht einmal versucht, die Hintergründe zu erforschen. Wenn die Kassiererin aufmerksamer gewesen wäre und die Dame möglicherweise darauf hingewiesen hätte, dass die Trickbetrüger sich nunmehr als Polizisten ausgeben und sie sich hiervor in Acht nehmen sollte, hätte der Betrug möglicherweise vereitelt werden können.

Im Fall war die Kassiererin aber anscheinend nicht genügend geschult oder sensibilisiert. Dabei trifft die Banken jedenfalls dann eine Schadensersatzpflicht, wenn eine Auszahlung an eine Person erfolgt, die nicht mehr geschäftsfähig ist. Natürlich ist nicht jede ältere Person geschäftsunfähig. Aber wenn die Kassiererin aufmerksamer gewesen wäre, hätte ihr auffallen können, dass die Dame unter erheblichen Druck stand – Druck, der durch die Betrüger ausgeübt worden ist. Und, dass das Auszahlungsbegehren der Dame somit jedenfalls nicht ganz freiwillig erfolgte.

§ 241 Abs. 2 BGB verpflichtet die Parteien eines Schuldverhältnisses auf die Rechtsgüter des anderen Rücksicht zu nehmen. Eine Verletzung dieser Pflicht kann zu einem Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB führen. Fraglich erscheint hierbei doch, ob nicht gerade auch ältere Menschen schutzbedürftiger sind und demnach eine höhere Rücksichtnahmepflicht der Banken besteht. Gerichtlich wurde dieses bisher jedoch noch nicht geklärt. Die Banken jedenfalls sehen sich nicht in der Pflicht, den entstandenen Schaden auszugleichen, nicht einmal Teile hiervon.

Im Fall der 83-jährigen Dame hätte ein Ausdruck des Mitgefühls seitens der Bank vielleicht den Unterschied gemacht. Zwar hätte sie ihr Geld nicht zurückerhalten, aber vielleicht die Gewissheit, dass durch bessere Schulungen in Zukunft andere vor solchen Betrügern geschützt werden könnten.

Ihr Expertenteam

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