Baurecht: Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB

Bernd GildemeisterRA Bernd Gildemeister, RAe Dr. Hantke & Partner

Ist bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers erforderlich, so kann der Unternehmer, wenn der Besteller durch das Unterlassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt, nach § 642 Abs.1 BGB eine angemessene Entschädigung verlangen. Die Höhe der Entschädigung bemisst sich einerseits nach der Dauer des Verzuges und der Höhe der vereinbarten Vergütung, andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer in Folge des Verzuges an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann.

Nachdem der BGH am 26. Oktober 2017 (Aktenzeichen VII ZR 16/17) festgestellt hat, dass es sich bei dem Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB nicht um einen umfassenden Schadensersatzanspruch handelt, sondern um einen verschuldensunabhängigen Anspruch für die Dauer der Behinderung, der nicht gestiegene Lohn oder Materialkosten nach Entfall der Behinderung erfasst, hat sich der BGH (vgl. BGH vom 30.01.2020, Az. VII ZR 33/19) dazu geäußert, wie der Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB im Einzelnen zu berechnen ist:

§ 642 BGB soll nach seinem Sinn und Zweck dem Unternehmer eine angemessene Entschädigung dafür gewähren, dass er während des Annahmeverzuges des Bestellers infolge Unterlassens einer diesem obliegenden Mitwirkungshandlung Personal, Geräte und Kapital, also die Produktionsmittel zur Herstellung der Werkleistung, bereithält.

Dabei ist die angemessene Entschädigung im Ausgangspunkt an den auf die unproduktiv bereitgehaltenen Produktionsmittel entfallenden Vergütungsanteilen einschließlich der Anteile für allgemeine Geschäftskosten sowie für Wagnis und Gewinn zu orientieren. Dagegen gewährt § 642 BGB keinen vollständigen Ausgleich für die während des Annahmeverzuges nicht erwirtschaftete Vergütung. Zu den Vergütungsanteilen für die vom Unternehmer unproduktiv bereitgehaltenen Produktionsmittel gehören nicht die infolge des Annahmeverzuges ersparten Aufwendungen.

Daraus ergibt sich für die Praxis folgendes:

Maßgebend für die Berechnung der Entschädigung nach § 642 BGB ist nicht, welche Umsatzeinbuße der Unternehmer während der Dauer der Behinderung erleidet. Maßgebend ist vielmehr, welche Produktionsmittel der Unternehmer während der Dauer der Behinderung vorhält und nicht anderweitig einsetzen kann und welche Vergütungsanteile aus der vertraglich vereinbarten Vergütung hierauf entfallen. Kann der Unternehmer z.B. Baugeräte, die für die Baustelle vorgesehen waren, während des Behinderungszeitraumes nicht anderweitig einsetzen, so kann er hierfür Entschädigung in Höhe des Vergütungsanteils beanspruchen, die in der vertraglich vereinbarten Vergütung hierfür enthalten waren. War z.B. für den Einsatz eines Baggers eine Vergütung von EUR 100,00 pro Tag vereinbart, so dürfte der Unternehmer für die Dauer des Stillstandes pro Tag EUR 100,00 abzüglich ersparter Betriebskosten (Schmierstoffe etc.) und ersparter Abnutzung beanspruchen können, sofern der Bagger tatsächlich nicht anderweitig eingesetzt werden konnte. Waren z.B. im Behinderungszeitraum 100 m² Estrich zu verlegen und war im vereinbarten Einheitspreis kalkulatorisch ein Anteil von EUR 1,00 pro m² für den Einsatz der Estrichpumpe enthalten, dürfte der Unternehmer nach § 642 BGB auch hierfür eine entsprechende Entschädigung abzüglich ersparter Aufwendungen beanspruchen können, wenn die Estrichpumpe nachweislich nicht anderweitig eingesetzt werden konnte.

Wollte der Unternehmer die Werkleistung mit eigenen Leuten ausführen, dürften auch die in den Einheitspreisen kalkulierten Lohnanteile entschädigungsfähig sein, soweit der Unternehmer nachweislich die für das Bauvorhaben vorgesehenen Arbeiter während der Dauer der Behinderung nicht anderweitig einsetzen konnte.

Dabei liegt die volle Darlegungs- und Beweislast beim Unternehmer.

Wollte der Unternehmer hingegen die Leistung mit Subunternehmern ausführen und haben diese wegen der Behinderung ihrerseits keine Entschädigungsansprüche gegenüber dem Unternehmer, so wird er hierfür seinerseits keine Entschädigung gegenüber seinem Auftraggeber beanspruchen können. Ferner kann der Unternehmer Entschädigung für die Unterdeckung seiner allgemeinen Geschäftskosten bzw. für entgangenen Gewinn nur in der Höhe beanspruchen, die kalkulatorisch auf die im Behinderungszeitraum auszuführende Leistung entfällt und die nicht durch andere Aufträge gedeckt sind.

Die Darlegungs- und Beweislast des Unternehmers für den Entschädigungsanspruch nach §642 BGB ist also sehr hoch und es bleibt dabei, dass der Unternehmer nach § 642 BGB keine Entschädigung für etwaige Stoffpreis- oder Lohnerhöhungen beanspruchen kann, die nach dem Ende der Behinderung eintreten.

Kommt eine Baustelle also für längere Zeit aus Gründen zum Erliegen, die in der Sphäre des Auftraggebers liegen oder verschiebt sich die Bauzeit erheblich, ist dringend zu empfehlen, rechtzeitig über eine Ausstiegsmöglichkeit aus dem Vertrag nach §§ 643, 645 BGB nachzudenken. Danach hat der Unternehmer die Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen, wenn der Auftraggeber trotz angemessener Fristsetzung mit Kündigungsandrohung den erforderlichen Mitwirkungshandlungen nicht nachkommt, damit der Unternehmer seine vertraglich geschuldete Leistung erbringen kann. Beim VOB-Vertrag hat der Unternehmer überdies die Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen, wenn aus bauseits zu vertretenden Gründen die Ausführung der Leistung für mehr als drei Monate zum Erliegen kommt.

Entsprechende Rechtsbehelfe sollte der Unternehmer jedoch in keinem Fall ohne vorherige, eingehende Beratung durch einen versierten Fachanwalt für Baurecht ergreifen. Ansonsten drohen bei einem unberechtigten Ausstieg aus dem Vertrag ggf. sehr hohe Schadensersatzansprüche.

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